Grenzerfahrung Inka-Trail

Nun war es also endlich so weit, der erste Tag des Inka Trails begann. Für die Unwissenden: Es gibt einige alte, wieder freigelegte Wege der Inkas nach Machu Picchu, die man bewandern kann. Wir hatten uns bereits aus Deutschland für den populärsten der Wege entschieden, der vier Tage über drei Pässe führt und ca. 35 km lang ist. Hört sich erstmal nicht weit an, aber er hat es in sich.

Morgens um sechs wurden wir also im Hotel abgeholt, um dann erstmal drei Stunden bis zum berühmten Kilometer 82 zu fahren. Bis die Träger dann alles verstaut hatten und wir den ersten Checkpoint mit Passkontrolle hinter uns hatten, war es bereits 11 Uhr und wir eigentlich schon wieder müde ? Nach ungefähr 20 Minuten Fußweg gabs von unserem Guide erstmal eine Stunde (!!!) “explanation” und nach einer weiteren halben Stunde laufen schon wieder Lunch. Joar… so langsam fragten wir uns wann es denn nun richtig losgeht… na ja, nach dem Mittagessen, wofür eigens für uns und unseren Guide ein Zelt aufgestellt wurde, liefen wir zumindest noch drei stramme Stunden. Zur Erklärung, wir haben hier nur für uns zwei einen eigenen Guide und vier Träger, wovon einer auch noch gleichzeitig der Koch ist. Nein, wir haben nicht im Lotto gewonnen oder einen Geldscheisser zuhause und können uns deswegen eine private Tour leisten, es hatte sich nur keiner mehr für das gleiche Datum bei der gleichen Organisation angemeldet. Auf der einen Seite ist das ganz nett, weil man nicht ständig auf jemanden warten muss, auf der anderen Seite wär so ein Trüppchen schon ganz unterhaltsam und der Guide würde sich bei seinen wirklich extrem ausführlichen Erzählungen nicht nur auf uns zwei konzentrieren ? Im ersten Camp angekommen bezogen wir unser Iglu-Zelt und konnten unsere letzte heiße Dusche für die nächsten drei Tage genießen. Alles in allem war der erste Tag also eher wie ein ausgedehnter Sonntags-Spaziergang. Doch am nächsten Tag sollte sich das ändern, es galt 1200 Höhenmeter zu überwinden. Um kurz vor fünf wurden wir mit einer Tasse Coca-Tee am Zelt geweckt und nach einem kleinen Frühstück gings auch schon los. Sechs Stunden bergauf! An manchen Stellen war es so steil, dass die Füße vorne so weit nach oben gebogen wurden, dass es weh tat. Auch dachte man, wenn es nur noch ein bisschen steiler wäre, könnte man sich am Boden anlehnen. Ok ok, das ist ein bisschen übertrieben, aber solche verzweifelten Gedanken kamen nach ein paar Stunden schon auf.. Und diese unzähligen, abermillionen, nicht enden wollenden Stufen.. wir hassen Stufen… und das alles bei immer dünner werdendem Lüftchen.

Während Jannis Probleme mit seinen Muskeln bekam, pfeifte ich daneben aus dem letzten Loch. Langsamer gehen ging ja auch nicht, dann wären wir stehen geblieben. Leider konnte man bei dem ganzen Überlebenskampf die schöne Natur gar nicht so richtig genießen, nur aus den Augenwinkeln sah man den einen oder anderen Kolibri, den tollen Blick ins Tal oder wilde Flüsse, die unseren Weg kreuzten. Endlich oben am Dead Woman’s Pass (ich weiß schon warum der so heißt!) angekommen, ging es nochmal zwei Stunden nach unten. Zuerst eine Erleichterung, wurde auch das bald zur Qual. Ziemlich fertig erreichten wir unser zweites Camp und fragten uns welche Wahnsinnigen 700 Dollar pro Person für so eine Selbstgeiselung bezahlen?!? Naja, nach einem fürstlichen Abendessen schliefen wir wie die Babys bis der 5-Uhr Coca-Tee wieder zum Aufbruch rief. Am dritten Tag mussten weitere zwei Pässe überwunden werden, diese waren aber eher harmlos im Vergleich zu dem Dead Woman´s Pass. Auch ging es teilweise mal geradeaus! Danke Inkas! (Tags zuvor hab ich euch gehasst ?) Und so kam es, dass wir doch noch etwas von der Natur mitbekamen, der Weg führte nämlich mitten durch den Wolkenwald, ähnlich wie ein Regenwald. Alleine der Geruch nach feuchtem Waldboden und exotischen Pflanzen ? Überall wuchsen dichte, nach unten hängende Moos-Fäden an den Bäumen, Bambus bahnte sich seinen Weg nach oben und kleine Frösche gaben ein Konzert. Auch kamen wir an dem Tag an weiteren drei Inkaruinen vorbei, die wir so ganz ohne andere Touristen besichtigen konnten. Am Ende ging es noch drei Stunden bergab, 1000 Höhenmeter, Stufe um Stufe.. Hab ich schon erwähnt, dass wir Stufen hassen??Dabei war der Blick ins Tal aber wirklich grandios, man konnte sogar schon das kleine Dorf neben Machu Picchu sehen. Und ja es ist lächerlich, aber wir freuten uns schon wieder auf die Zivilisation und ihre Annehmlichkeiten wie Strom, heißes Wasser, trockene (und saubere) Klamotten, richtige Toiletten und Spiegel ? Aber erst einmal gings ins dritte Camp mit mega Blick am Hang gelegen. Ein letztes, leckeres Abendmahl, ja sogar vegetarisch und ohne Ei funktioniert hier.

Der vierte und letzte Tag begann bereits um drei Uhr, da die Träger immer den ersten Zug Richtung Cusco erwischen müssen (weiß der Geier warum) und unser Zelt sollte ja auch noch verstaut werden. Wir warteten indessen bis um halb 6 wegen strömendem Regen unter einem Holzdach bis der erste Checkpoint aufmachte und wir endlich loslaufen konnten. Nicht, dass wir noch sehr scharf auf weitere Stufen waren, aber irgendwann wollten wir ja auch in Machu Picchu ankommen. Nach harmlosen zwei Stunden auf und ab wars dann auch endlich soweit, durch aufsteigenden Nebel konnte man die ersten Umrisse am Horizont sehen. Sieht schon nicht schlecht aus, das Dorf auf dem Bergrücken in dieser traumhaften Anden-Umgebung. Unser Guide Lucio gab uns dann vor seinem Abschied noch eine zweistündige Führung und wir kommentierten alles übertrieben mit “So Nice!” und “Awesome!” womit uns so mancher Amerikaner hier schon sehr auf die Nerven ging. Weitere zwei Stunden Foto-Wahnsinn mit Jannis später, fuhren wir ins nahe gelegene Dorf und vertrieben uns die Zeit bis zur Abfahrt des Zuges in einer heißen Quelle. Balsam für die geschundenen Knochen und auch endlich mal ein bisschen Dreck abladen ?

Morgen fliegen wir nach Lima, endlich mal keine unendlich lange Busfahrt und vorallem endlich ins Warme, jipieeeh! ☀️

P.S. Unser Schwein wurde getauft! *Trommelwirbel* Und zwar auf den Namen Carlos, er sieht einfach aus wie einer. Danke für eure Vorschläge!

15 thoughts on “Grenzerfahrung Inka-Trail

  1. Mir tun meine Knie schon beim Anschauen der Bilder weh – sind aber Klasse Bilder und auch eine sehr unterhaltsame Beschreibung.
    Viele Grüße vom King of Grill.

  2. Sau cooler Text, mega Fotos und wehmütig macht ihr uns nicht damit. Nö,Nöö,Nööö.
    Ich freue mich auf die ersten Berichte von bewanderten Vulkanen in Costa Rica oder so. ?
    Grüße in die Ferne.

  3. Hallo ihr zwei,
    lese euren bericht gerade im bett mit kaffee in der hand und bin mir ganz sicher, ich wäre mit dem zug rauf und runter!!!
    die bilder sind klasse!
    besitos

  4. Erstmal: yay, Carlos!! 😀

    Sieht schon sehr geil aus! Recht Stufenlastig das Ganze!
    Geil auch, dass die Träger kleiner sind als Sabrina 🙂

    Was passiert denn nun mit Carlos, wenn ihr weiterfliegt?

    • Hrhr ja… Haben irgendwie angefangen immer von Carlos zu sprechen ? Die Träger waren teilweise kleiner als ihre Rucksäcke ?

      Ja Carlos und seine Ausreisegenehmigung… Haben bereits alles beantragt, aber noch keine Reaktion erhalten. Haben aber auch schon einen Backupplan, ist aber ja noch ein wenig hin bis wir die Grenze nach Ecuador übertreten ? Heute bei dem Inlandsflug ist das keinerlei Problem. Da er das erste Reisende Meerschweinchen ist, darf er in meiner Brusttasche mit fliegen!

  5. Großartig! Und zwar alles! ? Fernweh ist definitiv geweckt!
    In Sri Lanka, beim Adam’s Peak, warten weitere 5200 Stufen auf euch, aber das ist im Vergleich ein Katzesprung ?
    guten Flug euch!

  6. hey sabbah und jannis,
    helen und ich sitzen gerade am Frühstückstisch und bewundern eure Photos, war bestimmt supper anstrengend.
    Besonders witzig die Bilder mit den Trägern 🙂 !!! klein aber süss. freuen uns schon auf den nächsten Blog.
    Lasst es euch gut gehen.
    Lg kerstin, Philipp und Helen

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